Verlust der Erbschaftsteuerbefreiung für das Familienheim bei langer Renovierungsdauer

Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 28.05.2019 AZ.: II R 37/16

In § 13 Abs. 1 Ziff 4 b und 4 c ErbStG ist geregelt, dass bei Erbschaft des Familienheims durch Ehegatten oder Kinder unter engen Voraussetzungen eine komplette Befreiung von der Erbschaftsteuer in Betracht kommt. Trotz der ansonsten für Ehegatten und Kinder geltenden hohen Erbschaftsteuerfreibeträgen von 500.000,00 € bzw. 400.000,00 € erreichen Immobilien in und um Ballungszentren häufig höhere Werte. Dies könnte dann dazu führen, dass Erben zur Erhaltung des Familienheims Erbschaftsteuer zahlen oder im schlimmsten Fall sogar das Familienheim verkaufen müssten, um die Erbschaftsteuer zahlen zu können. Aus diesem Grund und zur Förderung des Grundeigentums von Familien hat der Gesetzgeber daher die Befreiungstatbestände in § 13 ErbStG geschaffen.

Voraussetzung für die Befreiung von der Erbschaftsteuer ist zunächst, dass
(1) der Erblasser bis zum Erbfall die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat (oder aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert war)
(2) Der Erbe die Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gebraucht, also einzieht
(3) die Größe nicht 200 m/2 übersteigt bei Kindern

In dem vor dem Bundesfinanzhof verhandelten Fall hatte ein Sohn das Haus seiner Eltern im Wege des Vermächtnisses erhalten. Da ein Vermächtnis zunächst nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben begründet und nicht zu einem unverzüglichen Eigentumsübergang führt, musste zunächst eine Auseinandersetzung mit den Erben erfolgen. Aus diesem Grund dauerte es etwa 1 ½ Jahre bis der Sohn im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen werden konnte. Nach der Eintragung ließ sich der Sohn mit dem Einzug noch mehrere Monate Zeit, da das Haus noch renoviert werden sollte. Erst etwa 8 Monate nach der Eintragung im Grundbuch führte er erste Gespräche mit Handwerkern und fing einige Monate später erst mit der Renovierung an.

Das Finanzamt verweigerte die Steuerbefreiung und setzte Erbschaftsteuer in Höhe von 71.745 Euro fest. Der Bundesfinanzhof hatte zu entscheiden, ob bei längerer Auseinandersetzung und Renovierungsarbeiten noch von einer unverzüglichen Selbstnutzung im Sinne des § 13 Abs. 1 Ziff 4c ausgegangen werden kann. Dies verneinte der Bundesfinanzhof vorliegend und entschied:

„1. Unverzüglich i. S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, d.h. innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall. Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten.
2. Nach Ablauf von sechs Monaten muss der Erwerber darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung als Familienheim entschlossen hat, aus welchen Gründen ein Einzug nicht früher möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Umstände in seinem Einflussbereich, wie eine Renovierung der Wohnung, sind ihm nur unter besonderen Voraussetzungen nicht anzulasten.“
Dem Sohn war es zunächst nicht zuzumuten vor seiner Eintragung im Grundbuch als Eigentümer in die Immobilie einzuziehen. Zum Zeitpunkt der Eintragung hätte er somit noch die Erbschaftsteuerbefreiung nutzen können. Der Bundesfinanzhof war jedoch der Auffassung, dass wenn mehr als 6 Monate ab der Eintragung vergangen sind, nur noch ausnahmsweise – bei von dem Erwerber nicht zu vertretenden Gründen – ausnahmsweise noch die Steuerbefreiung genutzt in Betracht kommt.

Vorliegend hätte der Sohn nicht erst 8 Monate mit den Renovierungsarbeiten abwarten dürfen. Jedoch auch wenn er gleich mit den Renovierungsarbeiten begonnen hätte und diese nicht innerhalb sechs Monate abgeschlossen werden können, muss konkret dargelegt werden, aus welchen Gründen sich die Renovierungsarbeiten verzögern. Der Bundesfinanzhof nennt hier als Beispiel, dass eine Renovierung sich deshalb länger hinzieht, weil nach Beginn der Renovierungsarbeiten ein gravierender Mangel der Wohnung entdeckt wird, der vor dem Einzug beseitigt werden muss.

Fazit:

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zeigt, dass die Nutzung des Steuerbefreiungstatbestands an Voraussetzungen geknüpft, die von der Rechtsprechung sehr eng ausgelegt werden. Soweit möglich sollte eine Wohnimmobilie daher unter Ehegatten bereits zu Lebzeiten übertragen werden. Wenn man jedoch von seinen Eltern eine Immobilie erbt, die man selbst zu Wohnzwecken nutzen will, sollte man spätestens nach 6 Monaten den Umzug vollzogen haben.