Unerwartete Folgen eines Berliner Testaments:
Enkelkinder sind nicht immer automatisch auch Ersatzerben der bereits vorverstorbenen Kinder gemäß § 2069 BGB

Das aktuelle Urteil des OLG Hamm vom 15.02.2019 (AZ.: 10 W 16/18) zeigt, dass es häufig doch wichtig ist, in einem Testament genau zu bestimmen, wer im Falle des Vorversterbens der bedachten Erben zum Zuge kommen soll.

In dem vom OLG Hamm zu entscheidendem Fall hatten die Erblasser ursprünglich ein Berliner Testament errichtet. Darin hatten die Eheleute sich selbst gegenseitig zu Alleinerben bestimmt. Nach dem des Tod beider Eheleute sollten die Kinder Schlusserben des gesamten Vermögens sein. Nach dem Tod des Ehemanns verstarb auch eines der Kinder, das selbst 2 Kinder hatte. Die Ehefrau entschied nach einiger Zeit, dass sie das gemeinschaftliche Berliner Testament der Ehegatten nach dem Tod des Kindes ändern wollte und setzte einen Freund und eine gemeinnützliche Organisation anstelle des verstorbenen Kindes als Erben ein. Nach dem Tod der Ehefrau entbrannte ein Streit über die Wirksamkeit des neuen Testaments zwischen dem Freund und der gemeinnützlichen Organisation auf der einen Seite und den Enkelkindern auf der anderen Seite. Kern des Streits war die Frage, ob das erste Berliner Testament Bindungswirkung gegenüber den Enkelkindern entfaltet. Dann wäre die neue Erbeinsetzung des Freundes und der gemeinnützigen Organisation unwirksam.

In § 2270 Abs. 1 BGB heißt es:

„Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.“

Handelte es sich bei den Verfügungen in dem Berliner Testament somit um wechselbezügliche Verfügung, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, hätte die Ehefrau die Erbfolge nicht mehr ändern können. Denn das Recht eine solche wechselbezügliche Verfügung zu ändern, erlischt mit dem Tode des anderen Ehegatten nach § 2271 Abs. 2 BGB. Das Gesetz stellt in § 2270 Abs. 2 eine Vermutung dahingehend auf, dass Verfügungen zugunsten von Verwandten stets wechselbezüglich sind, also im Abhängigkeitsverhältnis zueinanderstehen. Knackpunkt hier war jedoch, dass der bedachte Sohn nicht mehr lebte, sondern seine Kinder – also die Enkelkinder der Erblasser – an seine Stelle getreten waren. Auch hier stellt das Gesetz eine Vermutung auf. In § 2069 Abs. 1 BGB heißt es soweit:

„Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.“

Das Gesetz vermutet somit, dass bei Vorversterben des Kindes im Zweifel dessen Kinder als Erben bedacht sein sollen. Bei konsequenter Anwendung der beiden Vermutungsregeln hätte das Gericht hier zu der Entscheidung gelangen müssen, dass zunächst gemäß § 2270 Abs. 2 die Einsetzung des Sohnes wechselbezüglich und für die Ehefrau somit bindend war. Wegen des Wegfalls des Sohne wiederum wären gemäß § 2069 BGB im Zweifel dessen Kinder als Erben berufen, so dass die Enkelkinder bei Anwendung dieser „doppelten Vermutungsreglungen“ auch als Erben in einem Erbschein auszuweisen waren.

Das OLG Hamm hat jedoch klargestellt, dass eine solche Auslegung des Testaments, die auf 2 Vermutungsregelungen beruhen, nur sehr restriktiv möglich ist. Zwar wären tatsächlich gemäß § 2069 BGB ohne das neue Testament der Ehefrau hier die Schlusserben. Die Frage ist jedoch, ob die zuvor für den Sohn geltende bindende Wechselbezüglichkeit auch im Bezug auf die Enkelkinder gelten kann. Hier sagt das OLG Hamm:

„Ergibt sich nämlich die Ersatzerbfolge mangels Feststellbarkeit  entsprechender Verfügungsinhalte allein aus § 2069 BGB, dann ist die Vermutung aus § 2270 Abs. 2 BGB im Sinne einer wechselbezüglich gewollten Verfügung auf Ersatzerbenbestimmung nur anwendbar, wenn sich Anhaltspunkte für eine auf Einsetzung des oder der Ersatzerben gerichteten Willen der Erblasser feststellen lassen“. Solche Anhaltspunkte fehlten jedoch in dem Testament.

Aus diesem Grund war die Anordnungen in dem neuen Testament der Ehefrau wirksam und im Ergebnis der Freund und die gemeinnützige Organisation als Erben in dem Erbschein auszuweisen.

Fazit:

Die Errichtung eines privatschriftlichen Testaments birgt Risiken, da nicht immer sämtliche Rechtsfolgen eines Testaments bei der Errichtung vorhersehbar sind. Vorliegend hätten die Eheleuten durch Aufnahme einer Regelung zur Ersatzerbfolge den Streit über die Auslegung des Testaments vermeiden können.