Beschluss vom OLG München zum Testament in der Patchwork-Familie

Die gesetzlichen Regelungen zu Ehegattentestamenten gehen häufig von einer traditionellen Ehe mit leiblichen Kindern aus. Häufig entspricht dies jedoch nicht mehr der Lebenswirklichkeit. Es wird geschätzt, dass die Zahl der Patchwork-Familien, in denen Kinder aus früheren Ehen in die Familie mitgebracht werden, in Deutschland etwa 10 % beträgt.

Erfahrungsgemäß stehen bei der Nachlassplanung in der Patchwork-Familie dabei häufig vier verschiedene Gestaltungsziele beim Testament im Vordergrund:

  • Der Nachlass soll vorrangig für die eigenen Kinder aus früheren Beziehungen erhalten werden, wobei auch der Partner versorgt werden soll.
  • Kinder aus früheren Beziehungen sollen gänzlich ausgeschlossen werden.
  • Bei verfestigten Stieffamilien soll die Gleichbehandlung aller Kinder erreicht werden.
  • Bei Lebensgefährten, die nicht verheiratet sind, soll bei einer Übertragung von Nachlasswerten die Erbschaftsteuer nicht allzu hoch ausfallen.

Häufig lassen sich die oben genannten Gestaltungsziele nur durch eine geschickte Testamentsgestaltung erreichen. Dabei kommt es häufig auf jedes Wort an.

Beschluss vom 5.11.2020 – AZ.: 31 Wx 415/17 (OLG München )

In einem vor dem OLG München verhandelten Fall ging es um die Auslegung eines (notariellen) Erbvertrags, in dem Kinder und Stiefkinder möglichst gleichbehandelt werden sollten. Die Eheleute hatten sich in der letztwilligen Verfügung zunächst gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt, sowie 2 Kinder des Ehemanns und 1 Kind der Ehefrau zu ihren Schlusserben. Dabei hatten die Eheleute gleich zu Beginn angeordnet, dass die Verfügungen in dem Erbvertrag „einseitig unwiderruflich“ sein sollten. Sie ordneten damit die Wechselbezüglichkeit an. Dies führt in der Regel zu der Rechtsfolge, dass wechselbezügliche Verfügungen nicht mehr nach dem Tod eines Ehegatten geändert werden können.

Nach dem Tod des Ehemanns verstarb auch das zuvor als Schlusserbe eingesetzte Kind der Ehefrau. Die Ehefrau wollte nun statt des verstorbenen Kindes jemand anderen als Erben einsetzen. Denn ohne eine neue letztwillige Verfügung der Eherau tritt die gesetzliche Regelung nach § 2094 BGB ein. Der „frei gewordene“ Erbteil des eigenen Kindes wächst den noch lebenden Kindern des Ehemanns an. Damit wären die beiden Kinder des vorverstorbenen Ehemanns Alleinerben der Ehefrau geworden.

Aus diesem Grund verfügte die Ehefrau in dem zu entscheidenden Fall, dass ein Dritter den Erbteil des verstorbenen Kindes als Ersatzerbe erhalten sollte. Mit diesem Ergebnis wollten sich die beiden Kinder des Ehemanns jedoch nicht abfinden und beantragten nach dem Tod der Ehefrau einen Erbschein, der sie als Alleinerben ausweisen sollte. Sie sind der Auffassung, dass die Erbeinsetzung des Vaters und der Stiefmutter unwiderruflich und daher wechselbezüglich waren und die Benennung eines neuen Erben anstelle der eigenen Tochter daher nicht möglich war.

Das Amtsgericht Starnberg bestätigte zunächst die Auffassung der Kinder des Ehemanns und erteilte einen Erbschein, der nur die Kinder als Alleinerben auswies. Nach Auffassung des Amtsgerichts hatten die Eheleute durch die Aufnahme der Unwiderruflichkeit in dem Erbvertrag angeordnet, dass der Längstlebende keine neuen Erben mehr benennen durfte.

Dagegen legte der von der Ehefrau neueingesetze Erbe Beschwerde zum OLG München ein. Das OLG München erörterte zunächst, dass der Wortlaut des Testaments wohl so dafür spräche, dass tatsächlich sämtliche Verfügungen der Eheleute einer wechselbezüglichen Bindung unterlägen. Damit läge eine „generelle Unwiderruflichkeit“ vor. Mit diesem Ergebnis wollte sich das OLG München jedoch nicht zufrieden geben und legte die Klausel dahingehend aus, dass die Unwiderruflichkeit nur auf die Einsetzung der eigenen Kinder anzuwenden sei. Tatsächlich gibt es in § 2270 Abs. 2 BGB bei gemeinschaftlichen Testamenten eine gesetzliche Vermutung dahingehend, dass die Einsetzung eines Verwandten als Schlusserben einer wechselbezüglichen Bindung unterliege. Im Umkehrschluss gelte diese nicht für die Kinder des anderen Ehegatten. Im Ergebnis durfte die Ehefrau daher letztwillig neu verfügen, und einen Dritten als Ersatzerben für das verstorbene Kind einsetzen.

Die Entscheidung des OLG München mag vom Ergebnis her überzeugen. Denn im Zweifel dürfte in einer Patchwork-Familie die Erbeinsetzung (sowie auch die Abänderung der Erbeinsetzung) des Kindes zunächst dem leiblichen Elternteil wichtig sein. Aus rechtlicher Sicht ist die Entscheidung jedoch nicht unumstritten. Die Auslegung von letztwilligen Verfügungen erfolgt regelmäßig zunächst nach dem Wortlaut. Dieser war in dem zu entscheidenden Fall jedoch ziemlich eindeutig. Es wurde den einzelnen Erbeinsetzungen die Anordnung der Unwiderruflichkeit vorangestellt. Damit hätten vermutlich bessere rechtliche Argumente für die Unwiderruflichkeit der erbvertraglichen Verfügungen.​

Fazit:

Es ist immer schwierig, in einer letztwilligen Verfügung alle Eventualitäten und zukünftigen Ereignisse zu umfassen. Umso wichtiger ist es gerade bei wechselbezüglichen Testamenten in Patchwork-Familien auf den genauen Wortlaut zu achten. Insbesondere ist stets an den Wegfall eines Bedachten zu denken, und eine Regelung hierzu aufzunehmen. Vorliegend hätten die Eheleute zudem in dem Testament hervorheben sollen, welche der Verfügungen wechselbezüglich bindend sein sollen.