Die letzten Jahre für Opa Geld abgehoben: Gefälligkeit oder Quittierungsbedürftig?

Haftung eines Kontobevollmächtigten bei Barabhebungen vom Konto

Wenn die eigenen Angehörigen aufgrund von Alter nicht mehr selbst zur Bank gehen können, um ihre Bankgeschäfte zu tätigen, liegt die Erteilung einer Bankvollmacht nahe. So können z.B. die eigenen Kinder im Auftrag Geld abheben und die Eltern mit Bargeld versorgen. Dabei dürfte aus Sicht der Kinder zunächst ein reines Gefälligkeitsverhältnis vorliegen, denn die Kinder fühlen sich in der Regel nicht dazu verpflichtet und wollen Ihren Eltern schließlich helfen, ohne dass Sie hierfür eine Gegenleistung erwarten. Gerichte kommen jedoch häufig zu einem anderen Ergebnis und gehen gerade nicht von einem reinen Gefälligkeitsverhältnis aus, sondern sehen Kinder in der Beweispflicht für die bestimmungsgemäße Verwendung der abgehobenen Geldbeträge.

In einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.10.2018 Az.: 10 U 91/17 (OLG Hamm) wurde die bereits von anderen Oberlandesgerichten geäußerte Rechtsaufassung bestätigt, dass in solchen Fällen regelmäßig von einem Auftragsverhältnis auszugehen ist, das Rechte und Pflichten für die bevollmächtigten Kinder auslöst.

So heißt es im Urteilstenor:

„Wenn wesentliche wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen, ist bei Tätigwerden im Rahmen einer erteilten Bankvollmacht auch bei einem Vertrauensverhältnis innerhalb der Familie von einem Auftrag und nicht von einer bloßen Gefälligkeit auszugehen.“

Das Gericht stellt auf die Frage ab, ob die Tochter, die Barabhebungen für ein Elternteil vornehmen soll, einen Rechtsbindungswillen hatte. Dabei komme es auf den Einzelfall zum Zeitpunkt der Beauftragung an. Das wäre z.B. nicht der Fall, wenn es sich um eine einmalige Gelegenheitsabhebung handelte. Wenn jedoch Zugriff auf die gesamten Ersparnisse und Einkünfte wie Rente gewährt wird und die Vollmacht nicht nur für wenige Einzelfälle gelten soll, ist von einer vertraglichen Bindung des Bevollmächtigten auszugehen.

Konsequenz ist, dass zwischen dem Elternteil und der bevollmächtigten Tochter ein Vertragsverhältnis mit Rechten und Pflichten besteht. Die Tochter, die somit weisungsgemäß Barabhebungen für pflegebedürftige Eltern vornimmt, ist gemäß § 667 BGB zur Herausgabe des Erlangten (Bargelds) verpflichtet. Wenn das Geld weisungsgemäß für den Vollmachtgeber ausgegeben wurde (z.B. Kauf von Medikamenten), muss der Beauftragte die bestimmungsgemäße Verwendung nachweisen können.

Lediglich bei besonderen Vertrauensverhältnissen z.B. zwischen Ehepartnern, gibt es nach der überwiegenden Rechtsprechung keine Nachweispflicht für die bestimmungsgemäße Verwendung. Zwar gab es eine Tendenz in der Rechtsprechung ein der Ehe ähnliches Vertrauensverhältnis auch bei Kindern gegenüber ihren pflegebedürftigen Eltern anzunehmen.  Das OLG Hamm folgt jedoch der strengeren Auffassung des OLG Brandenburgs und des OLG Schleswigs, dass keine Privilegierung im Verhältnis von Kindern zu Eltern annimmt. Danach bleibt das Kind „darlegungs- und beweispflichtig für die bestimmungsgemäße Verwendung des aus dem Auftrag erlangten“.

Dies dürfte grundsätzlich erst dann zu Problemen und Streitigkeiten führen, wenn die Eltern mal nicht mehr da sind und Miterben z.B. Geschwister oder ein Testamentsvollstrecker die Rechte der verstorbenen Eltern aus dem Auftragsverhältnis geltend machen. In dem zu entscheidenden Fall hatte die Tochter ihren Vater jahrelang bei sich zu Hause gepflegt und regelmäßig Geld für den Vater abgehoben und ihm bar – ohne Gegenzeichnung – übergeben. Wegen der fehlenden Quittierung der übergebenen Barabehungen wurde sie von den Miterben in Anspruch genommen und auf Erstattung der für den pflegebedürftigen Vater abgehobenen Geldbeträge verklagt.

Das OLG Hamm bestätigte zwar grundsätzlich den Anspruch, wies die Klage dennoch ab. Denn das nachträgliche Abrechnungsverlangen durch Erben kann dann gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn es über längere Zeit nicht erhoben worden ist. Hier soll sich der Beauftragte darauf verlassen können, nicht genau abrechnen und vor allem nicht im Nachhinein Quittungen und Belege vorlegen zu müssen. Wenn also über Jahre hinweg es hingenommen wird, dass Geld abgehoben und ohne Quittierung übergeben oder ausgegeben wird, soll eine Pflicht zur Rechnungslegung für den Bevollmächtigten ausnahmsweise unzumutbar sein. In solchen Fällen müsste der klagende Miterbe die nicht bestimmungsgemäße Verwendung nachweisen und gerade nicht der Bevollmächtigte.

In dem von dem OLG Hamm entschiedenen Fall konnte die beauftragte und bevollmächtigte Tochter beweisen, dass der Vater regelmäßig die Kontoauszüge kontrolliert hat und nie die Abrechnungen moniert hatte. Ausnahmsweise entfiel in diesem Fall die Pflicht zum Nachweis der bestimmungsgemäßen Verwendung der abgehobenen Geldbeträge und damit die Haftung der Tochter.

Fazit:

Das OLG Hamm hat bestätigt, dass Kinder, die für Ihre Eltern im Rahmen einer Kontovollmacht Gelder abgeben, grundsätzlich hierüber Rechenschaft ablegen müssen. Bei fehlenden Nachweisen kann es zu einer Haftung gegenüber den Erben kommen. Nur ausnahmsweise verstößt die Nachweispflicht aus dem Auftragsverhältnis gegen Treu und Glauben.

Kinder, die für Ihre Eltern regelmäßig Bankgeschäfte im Rahmen einer Kontovollmacht tätigen, sollten sich nicht darauf verlassen, dass die generelle Nachweispflicht für die bestimmungsgemäßen Verwendung ausnahmsweise weggefallen ist, sondern die Verwendung dokumentieren.

Im Zweifel sollten Sie sich von einem spezialisierten Anwalt beraten lassen.